Für Beate beginnt die Reise auf dem Flughafen in Deutschland nach Check-in und Sicherheitskontrolle. Da sind nämlich von Mitreisenden die ersten italienischen Wortfetzen zu hören.
In Napoli gelandet lernen wir Mario kennen, der uns zum Hotel nach Piano di Sorrento chauffiert. Die Sonne scheint, Palmen säumen den Weg. Mario erzählt uns in schwer verständlichem Englisch, dass er Fan von Inter Mailand sei und die deutschen Fußballer Beckenbauer und Gerd Müller bewundere. Wir fahren auf die Monti Lattari zu. Mario erwähnt die berühmte Mozzarella und Pizza Margherita…
Kurvig ist die Küstenstraße durch Vico Ecquese und Castellamare, das seinen Namen vom Kastell am Meer hat. Dann sind wir da – ein Parkplatz vor der Kirche von Piano – den Rest des Weges müssen wir laufen, denn in die schmale Gasse passt Marios dicker Mercedes nicht. Mit klackernden Trolley-Rollen wandern wir bergab und stehen vor unserem lachsfarben gestrichenen Hotel: Eine schwere Holztür in einer mannshohen Mauer. Dahinter ein Garten – Zitronen und Orangen leuchten an den Bäumen – toll!
Das Hotel selbst befindet sich in einer alten Villa. Eine gigantische Wendeltreppe führt hinauf in den zweiten Stock – beeindruckend. Unser Zimmer ist freundlich eingerichtet, sauber, die Betten zu kurz und das Frühstück für deutsche Verhältnisse… naja – aber wir sind ja nicht wegen des Frühstücks hier. Außerdem kann man überall lesen, dass das italienische Frühstück aus Caffè und Cornetto besteht – aber ob’s ein abgepacktes á la “Kuchenmeister” sein muss? Immerhin gibt’s auch Panettone zum Frühstück … am Ostersonntag Colomba.
Ein Limoneneis – gestrichen, nicht gekugelt
Wir besichtigen den Ort. Staunen, was man alles in einer Ape transportieren kann. Laufen die Serpentinen zum Hafen herunter – und wieder rauf – und essen unser erstes Limoneneis. Sehr lecker! Es sollen noch viele folgen – in cono, mit dem Spatel gestrichen statt wie zuhause ordentlich gekugelt… in Fior-di-latte-Eis könnt’ ich mich reinlegen.
Wir beschließen, zuerst unser selbst gewähltes “Pflichtprogramm” zu absolvieren, also Vesuvio, Napoli, Pompei und eine Prozession ansehen. Die Prozession wird die “Weiße Prozession” am Abend des Gründonnerstag. Mit Pausen zieht die Prozession bis in den frühen Morgen des Karfreitag von Piano nach St. Agnello. Beeindruckende Bilder und Gesänge. Der ganze Ort ist auf den Beinen und wir plumpsen gegen 22.30 Uhr in ein kleines, leeres Ristorante. Dort empfangen uns Koch und Kellner sehr freundlich. Wir stehen im erhöhten Eingang des Lokals, während die Prozession auch in dieser Straße vorbei zieht. So sehen wir das Spektakel zum zweiten Mal. Und auch, wenn uns keiner von beiden erklären kann, warum die Teilnehmer diese hohen Kapuzen tragen, unterhalten wir uns doch sehr nett – auf englisch. Der Koch kennt “Amburgo” und saust zwischendurch immer mal wieder in die Küche, um sich um unseren Fisch zu kümmern.
Unser Hotel liegt verkehrstechnisch sehr günstig: Wir schlendern nur ums Eck zum Circumvesuviana-Bahnhof und es gelingt mir, drei biglietti giornalieri nach Pompei zu kaufen, ohne aufs Englische ausweichen zu müssen. Die Fahrt mit der Bahn nach Pompei dauert etwa eine halbe Stunde. Der Zug ist voll – wir müssen stehen, aber so haben wir die über der Tür aufgezeigte Fahrtstrecke der Bahn gut im Blick… noch zwei Stationen… noch eine … Pompei Scavi.
Welche Gefahr wohl von diesem Krater ausgeht
In Pompei muss man nicht suchen, wo wohl die Touren zum Vesuv starten. Man stolpert aus dem Zug praktisch in den Bus der “Busviadelvesuvio”-Veranstalter. Die Fahrt zum Vesuv kostet incl. Führung um die 20 Euro pro Nase. Am Fuß des Vesuv gibt es einen Sammelplatz. Dort steigt man in einen Allrad-Bus, der die ganze Gesellschaft über Serpentinen und enge Kurven hoch bis zum Krater schaukelt – nein, nur fast. Das letzte Stück muss man laufen: ein schmaler Weg, unbefestigt, Serpentinen, Geröll… Wir sammeln Lavasteine, bis wir keine mehr tragen können… Ich fotografiere an jeder Wegbiegung die Aussicht – eine willkommene Gelegenheit, stehen zu bleiben. “Devo riposarmi!” – “Ist das da wohl Pompei?” Gut, dass ich das mache, denn später ziehen Wolken auf und die Sicht auf den Golf ist gleich Null. Oben angekommen erwartet uns der obligatorische Andenkenstand – und eine Führung auf deutsch – wie nett. Der Krater selbst ist beeindruckend. Doch welche Gefahr von ihm ausgeht, sieht man ihm nicht an. Das wird erst klar, wenn man die Info sacken lässt, dass anhand zahlreicher Mess-Stationen heute ein drohender Ausbruch 2-3 Wochen vorher erkannt werden kann – welche Ausmaße ein Ausbruch hätte, wie weit giftige Gase und Asche geschleudert würden, weiß niemand…
Interessant auch, dass die meisten Menschen in Pompei, Oplonti, Ercolano und … (den vierten Ort hab’ ich schon wieder vergessen) nicht durch Lavaströme ums Leben gekommen sind, sondern erstickt sind an giftigen Gasen und Staub, bevor sie von Asche und Lapili begraben wurden. Aber das wussten wir schon vorher – aus dem Pompei-Buch. Ja, Pompei – was für eine gigantische Stadt! Welch ein Gefühl, auf mehr als 2000 Jahre alten Steinen zu sitzen und sich vorzustellen, wieviele Karren wohl durch die Straßen gerollt sein müssen, um diese Fahrrinnen zu hinterlassen. Makaber, Menschen zu sehen – erstarrt im Moment ihres Todes. Der Führer versichert, dass sich die Skelette der Opfer in den steinernen Figuren befinden: Als das Fleisch der Toten verweste, entstanden Hohlräume im Gestein. Diese Hohlräume wurden ausgegossen und nach dem Erstarren der Gips-Beton-was-auch-immer-Masse konnten die Toten freigelegt werden…
Eigentlich ist so ein Pompei-Besuch nicht komplett, ohne sich im Nationalmuseum all die übrigen Fundstücke aus Pompei anzuschauen. Das Museo Archeologico Nazionale haben wir für einen Regentag auf dem Plan – es regnet aber nicht… Also Napoli im Sonnenschein. Die Circumvesuviana spuckt uns an der Piazza Garibaldi aus: Menschen über Menschen, Busse, Autos, Motorini, auf dem Platz eine riesige Baustelle – die kennen wir aus Google-Maps. Wir halten uns zunächst links an den Corso Umberto. Was für ein Verkehr! Was für ein Lärm! Wohin jetzt zuerst? Cabrio-Bus-Stadtrundfahrt ab Molo Beverello…
Staunend durch den Verkehr Neapels
Wir sitzen oben über dem Fahrer und staunen über den Verkehr: waghalsige Überholmanöver; Roller, die durch winzige Zwischenräume flutschen und an der Ampel in einem Pulk auf “grün” warten und mittendrin schlängeln sich Fußgänger vorbei. Und was tut der neapolitanische Autofahrer? Er bremst ab, kommt dabei aber fast nie wirklich zum Stehen und irgendwie funktioniert alles wunderbar. Wer sich in Deutschland über einen Radler aufregt, der sich an der Ampel nach vorne mogelt oder die Omi anhupt, die nicht schnell genug über die Straße kommt, dem sei ein Tag in Neapel ans Herz gelegt – da kann man viel lernen. Von diesen Eindrücken abgesehen, ist die Stadtrundfahrt ein Witz. Man bekommt Kopfhörer, die man an seinem Platz einstöpselt und erhält in der ausgewählten Sprache Informationen vom Band über Neapel. Schade ist nur, dass die Infos nicht zur Route passen. Man fährt am Duomo vorbei und … nix, kein Wort dazu. Immerhin wird am Ende gesagt, man wolle mit dieser Tour nicht alles von Neapel zeigen, sondern neugierig machen auf die Stadt.
Uns macht der Ausflug vor allem neugierig, wo wir jetzt günstig essen können, um die Durchschnittskosten dieses Tages auf ein erträgliches Maß zu senken. Außerdem wollen wir die kleine Pasticceria wieder finden, an der wir vorbeigefahren sind – da gab es Sfogliatelle… und die Galleria Umberto I bestaunen. Irgendwann nehmen wir die Funicolare Centrale zum Vomero hinauf. Dort angekommen erwartet uns eine andere Welt – ruhig, grün, übersichtlich. Vom Castel St. Elmo aus genießen wir den Blick auf die Stadt, der tatsächlich so grandios ist, wie in den Reiseführern beschrieben.
Wieder runter geht’s mit der Linie Montesanto, von dort zur Piazza Dante und – mutig geworden nach ein paar Stunden Napoli – tauchen wir ein in Spaccanapoli mit seinen unzähligen kleinen Negozi, deren Warenangebot auf dem Gehsteig größer ist, als im Geschäft selbst. Wir lassen uns treiben und fühlen uns so richtig italienisch, wäre da nicht der Stadtplan, auf den wir sicherheitshalber an jeder zweiten Straßenecke einen Blick werfen. Abends fallen wir mit qualmenden Füßen in unsere Betten – und mir fällt ein, dass ich keinen einzigen CD-Laden gesehen habe und auch keine ACF-Espressotassen. Vielleicht könnte man morgen nochmal…? Keine Chance! Meine lieben Mitreisenden bestehen auf einen Tag Ruhe und so liegen wir in der Sonne auf den Wellenbrechern am Hafen, hören per iPod Celentano und lassen die Seele baumeln. Die Strandbäder sind noch geschlossen, es gibt keine Liegestühle zu mieten, überall wird gefegt – hier und da sogar gestrichen.
Die Fahrt nach Capri ist nichts für Landratten
Am nächsten Tag geht’s nach Sorrento. Wir hangeln uns durch die Gassen von einem Souvenirladen zum nächsten – sie haben alle die gleichen Keramikschalen, Teller, Krüge und Fliesen wahlweise mit Limonen-, Oliven- oder Peperoni-Motiv. Außerdem gibt es Schlüsselanhänger und Magnetpins in scheinbar unbegrenzten Variationen – unter anderem welche mit erotischen Wandmalereien aus Pompei – schnell den Ständer weitergedreht, ehe unsere ragazza genauer hinguckt… Und Limoncello und Limonenbonbons und – Schokolade – alles seeehr lecker. Wir trinken einen Café zum Preis von dreien und klettern die steilen Treppen zum Hafen runter.
Die “MetroDelMare” fährt tatsächlich noch nicht – schade, ich wäre gerne per Boot über Positano nach Amalfi getuckert. Also Capri! Uih uih uih – die Überfahrt ist nichts für Landratten, die Fähre schaukelt mächtig. Der Blick zurück auf Sorrento und die übrige Küste ist unbeschreiblich schön. Auf Capri noch mehr Treppen und steile Gassen als in Sorrento – und noch mehr Menschen. Lustig sind die Elektroautos, die man erst wahrnimmt, wenn sie hinter einem hupen. Mit Neapel-erprobten Schuhen lassen wir die Seilbahn links liegen und wandern zu Fuß nach Capri-Stadt. Malerisch der Ausblick, den wir später beim Abstieg zu den Faraglioni-Felsen genießen, atemberaubend, als wir endlich unten sind und mörderisch die 300 Meter, die wir anschließend wieder hoch in die Zivilisation kraxeln müssen…
Zurück in Piano beschließen wir den Tag in “unserer” Tavola Calda. Anschließend noch ein letzter Café in der Bar Liana. Dort wird uns übrigens der schönste Café Latte serviert in dieser Woche: Ein kleiner Café in einer großen Tasse, die warme Milch in einem extra Kännchen dazu – ohne Schaum. Es gab woanders auch die Variante im hohen schmalen Glas ohne Schaum und die normale Kaffeetasse mit viel und wenig Milchschaum…
Das war sie – unsere Woche am Golfo di Napoli. Wir haben viel gesehen – oder wenig, das ist Ansichtssache – und sind noch lange nicht kuriert von unserer Italien-Sehnsucht. Vielleicht ein wenig ernüchtert, denn was auf Bildern so romantisch und malerisch unordentlich aussieht, ist bei näherer Betrachtung oft bröckelnder Putz und fehlende Farbe… wie in so vielen südlichen Gegenden. Beim Rückflug macht der Pilot einen sportlichen Bogen um Neapel – da ist der Vesuv noch einmal zu sehen: die Häuser, die sich an seinen Hängen emporziehen, das Meer… Wir kommen wieder – promettiamo!