Eine Online-Zeitung, ein Kindergartenprojekt, ein Stadtfest: Berlins Italiener sind aktiv. Ende September hat sich diesem kulturellen Trend auch das Institute for Cultural Diplomacy (ICD) gewidmet und lud zum viertägigen Kongress „Italy Meets Germany – A Forum for Young Leaders“ ein.
Marianna Menegus lebt seit drei Jahren in Berlin. Sie ist eine von geschätzten 20 000 Italienern, die es in den vergangenen Jahren in die deutsche Hauptstadt verschlagen hat. Im Prenzlauer Berg hatte sie einen Bastelladen, jetzt arbeitet sie für eine italienische Mode-Boutique.
Über den Blog italianiaberlino.it hält sie Kontakt zu anderen Italienern. Dabei ist sie längst in das internationale Berlin eingetaucht, spricht fließend Deutsch und Englisch. Die 28-Jährige aus Padua hat in Venedig und Bologna Fremdsprachen und Interkulturelle Kommunikation studiert. „Zusammen mit einer Freundin habe ich ein deutsch-italienisches Kindergartenprojekt realisiert“, erzählt sie. Als sie vom Kongress des ICD erfuhr, meldete sie sich sofort an.
Auch Valerio Bassan lebt in Berlin. Vor vier Monaten gründete er „Il Mitte“ – eine Online-Lokalzeitung in italienischer Sprache. Und sogar ein Film widmet sich nun der neuen italienischen Immigration des 21. Jahrhunderts: „Ciao Italia“ von Barbara Bernardi und Fausto Caviglia spürt den Hoffnungen, Plänen und Träumen junger Italiener nach, die es nach Berlin zieht.
Giuseppe Colucci (27) hat diesen Trend bemerkt: Im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Cultural Bridges“ organisierte er die Länderbegegnung „Italy Meets Germany“. Colucci ist vor anderthalb Jahren aus Brindisi für das ICD nach Berlin gekommen. „Wir haben uns zum ersten Mal den deutsch-italienischen Beziehungen gewidmet und werden diese Begegnung jetzt halbjährlich wiederholen“, erklärt er. Neben Universitätsprofessoren hat Colucci auch Künstler und Dozenten aus der Wirtschaft eingeladen. Darunter den Journalisten Valerio Bassan von „Il Mitte“. Der Blogger Andrea d’Addio widmet sich dem Thema der „Italianisierung“ Berlins. Der Fotograf Emanuele Lami stellt sein Videoprojekt „Uno fra tanti – einer unter vielen“ vor.
Dazwischen immer wieder Ausflüge: Der Besuch der italienischen Botschaft, der Società Dante Alighieri, im Reichstag und bei der West Side Gallery geht in der Kulturlandschaft beider Länder auf Spurensuche. Ganz billig ist die Teilnahme allerdings nicht: Knapp 200 Euro kostet die viertägige Tagung. „Etwa 15 Teilnehmer haben sich angemeldet. „Wir hatten mit ein paar mehr gerechnet, aber uns blieb wenig Zeit für die Organisation. Im kommenden Jahr rechnen wir mit etwa 35 Teilnehmern“, resümiert Colucci. Geboten wurden dieses Mal elf Vorträge und Diskussionen im ICD-Haus, vier Ausflüge und die Möglichkeit, an gemeinsamen Abendessen teilzunehmen. „Nicht vergessen darf man die Kontakte und Freundschaften, die die Teilnehmer knüpfen“. Vielleicht das Wichtigste an diesen Begegnungen der Völkerverständigung.
Das Institut für kulturelle Diplomatie wurde 1999 von Mark Donfried, im Alter von gerade 20 Jahren, als Ein-Zimmer-Büro im Berliner Prenzlauer Berg gegründet. Heute leitet der Amerikaner aus New York das Institut auf mehreren Etagen auf dem von Luxus-Boutiquen gesäumten Kurfürstendamm. Minister, ehemalige Staatschefs und Professoren dozieren hier. Sogar ein Master-Programm wird zusammen mit der Humboldt-Universität angeboten. „Unsere Ziele sind es, ein Bewusstsein für kulturelle Unterschiede und kulturelles Erbe zu schaffen“, erklärt Donfried sein Konzept. „Der Respektvolle Umgang ist für einen global-interkulturellen Dialog, den Austausch von Ideen und Informationen von anderen Ländern und besonders von deren Einwohnern von entscheidender Bedeutung. Dieses Ziel kann am besten durch Zugang zur eigenen Kultur ermöglicht werden.“ Zugang und „Soft-Power“ – das sind für Donfried die Schlüsselbegriffe. Eine Kultur dürfe nicht „aufgezwungen“ werden, vielmehr müsse Interesse gefördert werden. Als positive Beispiele nennt er die Aktivitäten des Goethe-Instituts, des DAADs oder der Deutschen Welle.
Die Veranstaltungsreihe „Cultural Bridges“ widmete sich schon den deutsch-türkischen Beziehungen. Als nächstes ist eine deutsch-marokkanische Begegnung geplant. Jetzt geht es um Italien:
Manche Teilnehmer sind extra von dort für den Kongress angereist, wie der Römer Alessandro Varvaressos. „Wir sind sechs Studenten der Uni Pisa und studieren Jura und Politikwissenschaften“, erzählt der 22-Jährige in perfektem Englisch. In erster Linie möchte Alessandro Strafrichter werden. „Aber an zweiter Stelle kommt mein internationales Interesse“, schmunzelt er. Dank mehrerer Englischkurse am British Council hat er schon mal das sprachliche Rüstzeug.
Bei Marianna Menegus steht Internationalität an erster Stelle: Neben den italienischen Kindergartenprojekten engagiert sich die 28-Jährige auch im „Arbeitskreis Neue Erziehung“ (ANE). „Wir übersetzen zum Beispiel Elternbriefe, damit Eltern unabhängig von ihrer sozialen und ethnischen Herkunft über ihre Möglichkeiten und Rechte aufgeklärt werden.“ Dabei hilft Marianna auch der Comites – einem ehrenamtlichen Zweig der italienischen Konsulate in aller Welt, der die Italiener im Ausland betreut. „Unsere größte Schwierigkeit ist, die Eltern ausfindig zu machen, um auf uns aufmerksam zu machen, damit wir die Briefe auch zukommen lassen können.“
„Auch auf der diesjährigen Berlitalia wollten wir mit einem Stand auf uns aufmerksam machen. Das hat am Ende leider nicht geklappt“, bedauert Marianna. Die Berlitalia ist ein Straßenfest im Zentrum Berlins, das in diesem Jahr zum zweiten Mal stattfindet: „Wir Italiener in Berlin sind nicht die Gastarbeiter von einst“, stellt Organisator Fabio Grasso bei einer Führung für das ICD klar. Mit dieser endet schließlich auch das Seminar. Marianna ist zufrieden: „Ich habe tolle Menschen kennen gelernt und viel über die deutsch-italienischen Beziehungen erfahren. Mein Freund wird bald für einen Job nach Mailand gehen. Ich bleibe in Berlin.“