Foto: Francesco Fantani, Courtesy Musei del Bargello

Fast 50 Jahre ist es her, dass im November 1975 eine unglaubliche Entdeckung in Florenz gemacht wurde: Paolo Dal Poggetto, damaliger Direktor des Museo delle Cappelle Medicee, beauftragte den Restaurator Sabino Giovannoni, einige Reinigungsarbeiten in einem engen Gang unterhalb der Apsis der Neuen Sakristei durchzuführen. Ziel war es, Platz für einen neuen Museumsausgang zu schaffen. Doch was Giovannoni unter den alten Putzschichten fand, übertraf alle Erwartungen: Eine Serie von Wandzeichnungen, ausgeführt mit Kohle und roter Kreide, kam zum Vorschein. Dal Poggetto war sich sicher: Diese Skizzen stammen aus der Hand des großen Michelangelo.

Ein geheimer Zufluchtsort

Die kleine Kammer, etwa 10 Meter lang und 3 Meter breit, mit einer Höhe von 2,50 Metern an der höchsten Stelle des Gewölbes, hatte seit Jahrzehnten im Verborgenen gelegen. Bis 1955 diente sie als Kohlelager, danach geriet sie in Vergessenheit, versteckt unter einer Falltür, die von Möbeln verdeckt war. Doch ihre Geschichte reicht viel weiter zurück: Dal Poggetto stellte die These auf, dass Michelangelo hier im Jahr 1530 Unterschlupf fand.

Nachdem die Medici aus Florenz verbannt worden waren, hatte sich der Künstler auf die Seite der kurzlebigen Republik gestellt und die Festungsanlagen der Stadt überwacht. Als die Medici mit der Unterstützung von Papst Clemens VII. wieder an die Macht kamen, geriet Michelangelo ins Visier des Papstes. Der Prior von San Lorenzo, Giovan Battista Figiovanni, versteckte den verfolgten Künstler in dem kleinen Raum. Erst nach etwa zwei Monaten wurde Michelangelo begnadigt und kehrte zu seinen offiziellen Arbeiten zurück, bevor er Florenz 1534 endgültig verließ.

Einblick in Michelangelos kreative Gedankenwelt

Die Wände der Kammer sind mit Zeichnungen übersät, einige überlappen sich, andere sind deutlich erkennbare Skizzen von Figuren. Laut Dal Poggetto handelt es sich dabei um Entwürfe für die Neue Sakristei, an der Michelangelo seit 1523 arbeitete. Dazu gehören unter anderem die Beine der Statue von Giuliano de’ Medici, ein Zitat der antiken Laokoon-Gruppe und Skizzen, die auf andere Werke des Meisters hindeuten. Obwohl die Kritiker noch immer über die Authentizität und genaue Bedeutung der Zeichnungen debattieren, gilt die Kammer als eines der spannendsten Fundstücke aus Michelangelos Schaffenszeit.

Ein verborgenes Highlight für Besucher

Nach einer dreimonatigen Testphase und sorgfältiger Umweltanalyse wurde die geheime Kammer 2024 erneut für das Publikum geöffnet. Aufgrund der großen Nachfrage und ausverkauften Besichtigungsterminen bleibt sie nun dauerhaft zugänglich. Der Zugang ist jedoch stark reguliert: Pro Woche dürfen maximal 100 Personen in Gruppen von bis zu vier Teilnehmern die Kammer betreten. Die Führungen finden montags, mittwochs, donnerstags, freitags und samstags zu festgelegten Zeiten statt. Die Verweildauer beträgt maximal 15 Minuten, begleitet von Museumsmitarbeitern.

Aufgrund des engen Zugangs ist der Raum nicht barrierefrei und für Kinder unter 10 Jahren aus Sicherheitsgründen nicht zugänglich. Der Eintrittspreis für die Kammer beträgt 32 € (ermäßigt 7 €) und umfasst das Ticket für das Medici-Kapellen-Museum (Stand: 2025).

Reservierungen sind über dearguests.com oder telefonisch unter +39 055 294883 möglich.