Foto: Stephen Pedersen

In pittoresken Gassen knirscht der Kies, zerfallene Palazzi werfen lange Schatten – und irgendwo hängt ein unscheinbares Schild: “Vendesi – 1€”. Was klingt wie ein Immobilienmärchen, ist in vielen kleinen italienischen Gemeinden längst Realität: Alte, oft leerstehende Häuser werden für den symbolischen Preis von einem Euro verkauft. Doch hinter dieser charmanten Idee steckt weit mehr als nur ein Schnäppchen.

Warum verschenken italienische Dörfer Häuser?

Der Ursprung der Aktion liegt im demografischen Wandel: Viele Dörfer – vor allem in Süditalien – kämpfen seit Jahrzehnten mit Abwanderung und Überalterung. Jüngere Menschen ziehen in die Städte, zurück bleiben leere Gebäude und langsam verfallende Ortskerne. Um diese Entwicklung aufzuhalten, greifen Gemeinden wie Sambuca di Sicilia, Ollolai auf Sardinien oder Gangi auf Sizilien zu ungewöhnlichen Mitteln: Sie bieten leerstehende Immobilien für den symbolischen Preis von 1 Euro an – mit der Hoffnung, neue Bewohner*innen anzulocken, die das kulturelle Erbe erhalten.

Für die baufälligen Häuser können hohe Sanierungskosten fällig sein. Foto: Gonzalo Facello

Was steckt hinter dem einen Euro?

Ein Euro klingt verlockend – doch ganz so einfach ist es nicht. Die Käufer verpflichten sich in der Regel zu drei Dingen:

  1. Renovierungspflicht: Innerhalb von zwei bis drei Jahren muss das Haus saniert werden – oft nach denkmalrechtlichen Vorgaben.
  2. Kaution: Um sicherzugehen, dass der Kauf ernst gemeint ist, verlangen viele Gemeinden eine Sicherheitsleistung von 2.000 bis 5.000 Euro. Diese wird zurückgezahlt, wenn die Sanierung fristgerecht erfolgt.
  3. Nutzung: Manche Orte verlangen eine dauerhafte Nutzung als Erstwohnsitz oder Ferienunterkunft. Andere zeigen sich flexibler.

Wo gibt es aktuell 1€-Häuser?

Das Angebot variiert stark – manche Orte verkaufen regelmäßig neue Objekte, andere nur sporadisch. Besonders aktiv waren in den letzten Jahren:

  • Sambuca di Sicilia (Sizilien): International bekannt geworden durch Berichte in CNN und der New York Times. Die Stadt versteigerte 2021 mehrere Dutzend Häuser.
  • Ollolai (Sardinien): Das Projekt wurde sogar von einer holländischen Doku-Serie begleitet.
  • Troina (Sizilien): Bietet zusätzlich finanzielle Unterstützung bei der Renovierung.
  • Maenza (Latium): Nur 100 km von Rom entfernt – ideal für Wochenend-Aussteiger*innen.
  • Pratola Peligna (Abruzzen): Hier gibt’s 1€-Häuser mit Blick auf die Berge.
Verlassene Schönheit mit Potenzial: Viele italienische Dörfer warten mit leerstehenden Häusern auf neue Besitzer:innen.
Foto: Anita Fa

Tipps für Kaufinteressierte

Wer sich für ein 1-Euro-Haus interessiert, sollte einige Dinge beachten:

  • Die Sprache: Viele Informationen gibt es nur auf Italienisch. Grundkenntnisse oder einen Übersetzerin sind hilfreich.
  • Der Zustand: Die Immobilien sind oft in sehr schlechtem Zustand. Sanierungskosten von 20.000 bis 70.000 Euro sind keine Seltenheit.
  • Die Bürokratie: Geduld ist gefragt. Vom Antrag bis zum Vertragsabschluss können Monate vergehen.
  • Ein lokaler Architekt ist Gold wert: Er oder sie kennt die Auflagen, Behörden und Handwerker vor Ort.

Lohnt sich der Kauf?

Das hängt vom eigenen Lebensstil, Budget und der Bereitschaft ab, sich auf ein Abenteuer einzulassen. Für digitale Nomaden, Künstler*innen oder Ruhesuchende kann ein 1-Euro-Haus ein Türöffner für ein neues Leben sein – mit Olivenhain, Nachbarn, die noch Brot selbst backen, und einem Sternenhimmel, den es so in keiner Großstadt gibt.

Aber: Wer nur auf der Suche nach einer Ferienimmobilie ohne Aufwand ist, sollte zweimal überlegen. Denn der symbolische Preis ist eben genau das – symbolisch.

Viel Arbeit zum Spottpreis: Wer sich traut, kann in italienischen Dörfern für 1 Euro ein ganzes Haus kaufen. Damit ist es aber nicht getan.
Foto: Steffen Lemmerzahl

Fazit

Italiens 1-Euro-Häuser sind mehr als ein günstiges Immobilienangebot – sie sind ein kulturelles Rettungsprojekt, das Lebensfreude, Handwerk und Visionen vereint. Wer bereit ist, zu investieren – nicht nur Geld, sondern auch Herzblut – wird belohnt mit einem echten Stück Italien. Vielleicht nicht von der Stange, aber mit Seele.

1-Euro-Häuser in Italien

Karte der Orte in Italien mit 1-Euro-Haus-Projekten (Stand 2025)

Weitere Informationen gibt es auf der Webseite des Projekts “1 Euro Häuser” (italienisch + englisch).